„Tod und Sterben verschweigen wir“
20. Oktober 2025
Letzte-Hilfe-Kurse vom Hospizverein Korbach nehmen Angst vor Sterben
„Über Trauer, den Tod und das Sterben zu sprechen, haben wir nicht gelernt“, sagt Sandra Voß. Diese Themen sind in unserer Gesellschaft an den Rand gedrängt – dorthin, wo man sie möglichst nicht sehen muss. Früher starben Menschen meist zu Hause, umgeben von Familie, Nachbarn und Freunden. Heute geschieht das Sterben oft hinter verschlossenen Türen in Kliniken oder Pflegeheimen. Selbst erfahrene Pflegekräfte tun sich manchmal schwer, Angehörigen mitzuteilen, dass jemand gestorben ist. Sandra Voß möchte genau daran etwas ändern: Sie leitet den Hospizverein Korbach, begleitet mit ihrem Team Menschen am Lebensende – und spricht auch mit Kindern offen über den Tod.
Die examinierte Altenpflegerin, Fachkraft für Palliative Care und Trauerbegleiterin leitet seit 2021 den Hospizverein Korbach.
Frau Voß, Sie wollten ursprünglich Lehramt studieren, sind dann aber in der Altenpflege gelandet, mit dem Plan eines anschließenden Medizinstudiums. Heute leiten Sie den Hospizverein Korbach. Wie kam es zu diesem Weg?
Ich habe schon früh gespürt, dass mich die Themen Krankheit, Sterben und Abschied bewegen. Eigentlich wollte ich Ärztin werden, aber wegen meines zu schlechten NC benötigte ich eine Ausbildung und habe mich für die Altenpflege entschieden. Dort wurde mir deutlich, dass der letzte Lebensabschnitt oft zu wenig Raum bekommt. In der Pflege herrschen enge Zeitpläne, es geht viel um Abläufe – und doch spürt man, dass Menschen am Lebensende etwas ganz anderes brauchen: Ruhe, Würde, Zuwendung. Ich erinnere mich an Situationen, in denen ich nach einer Schicht weinend im Auto saß, weil ich das Gefühl hatte, den Menschen und meinen Kollegen nicht gerecht werden zu können. Das hat mich motiviert, eine Palliative-Care-Weiterbildung zu machen. 2016 habe ich zunächst eine ehrenamtliche Ausbildung gemacht, 2017 bin ich dann als Krankheitsvertretung zum Hospizverein gekommen und seit Oktober 2021 leite ich die Koordination.
Viele verbinden mit dem Tod und Sterben vor allem Angst und Schmerz. Warum macht Ihnen diese Arbeit trotzdem Freude?
Weil man so viel zurückbekommt. Das klingt vielleicht überraschend, aber sterbende Menschen zu begleiten kann auch etwas sehr Schönes sein. Es kehrt oft eine Ruhe ein, die fast feierlich wirkt. Man hat die Möglichkeit, den Betroffenen und den Angehörigen Halt zu geben, Informationen zu vermitteln, Unsicherheiten zu nehmen. Natürlich ist das Sterben nie leicht – für niemanden. Aber wenn man erlebt, dass ein Mensch friedlich gehen darf und eine Familie spürt: „Wir sind nicht allein“, dann ist das unglaublich wertvoll.
Der Hospizverein Korbach arbeitet mit vielen Ehrenamtlichen. Wie sieht diese Arbeit aus – und welche Voraussetzungen muss man mitbringen?
Wir haben derzeit rund 35 ehrenamtliche Begleiterinnen und Begleiter. Alle durchlaufen einen Ausbildungskurs mit 100 Stunden Theorie und einem Praxiseinsatz. Dabei geht es nicht nur um Wissen über Pflege oder medizinische Aspekte, sondern auch um die eigene Haltung: Wer andere begleiten will, muss in sich selbst eine gewisse Stabilität haben. Unsere Ehrenamtlichen kommen aus allen Berufsgruppen – vom Handwerker bei Continental in Korbach bis zur Pädagogin. Sie besuchen die Menschen regelmäßig, hören zu, halten die Hand, entlasten die Angehörigen. Manchmal geht es nur darum, da zu sein. Wir bieten zudem eine Rufbereitschaft an, damit an Wochenenden jemand erreichbar ist, nach Absprache und in Ausnahmefällen, auch nachts. Unser Anspruch ist es, Menschen möglichst ein Sterben zu Hause zu ermöglichen – denn das wünschen sich die meisten.
Frau Voß, Sie bieten auch sogenannte Letzte-Hilfe-Kurse an. Was genau sind das für Kurse, und warum sind sie Ihrer Meinung nach so wichtig?
Die Letzte Hilfe ist im Prinzip das Gegenstück zur Ersten Hilfe. Jeder weiß, wie man bei einem Unfall reagiert – aber kaum jemand weiß, wie man mit einem sterbenden Menschen umgeht. In unseren Kursen vermitteln wir Grundlagen: Wie erkenne ich die Bedürfnisse am Lebensende? Wie kann ich Trost spenden, zuhören, da sein? Es geht um ganz praktische Dinge, zum Beispiel was gegen Durst oder Atemnot helfen kann, aber auch darum, keine Angst vor Gesprächen zu haben. Sterben gehört zum Leben – und wir möchten die Menschen ermutigen, Angehörige oder Freunde in dieser letzten Lebensphase nicht allein zu lassen. Viele Teilnehmende sagen hinterher: Das hat mir die Angst genommen, etwas falsch zu machen. Genau das ist unser Ziel.
Sie bieten „Letzte Hilfe“-Kurse für Erwachsene und sogar Kinder an. Warum ist es wichtig, dass schon Grundschüler über Tod und Sterben sprechen?
In unserer Gesellschaft haben wir verlernt, mit Tod und Sterben umzugehen. Früher war das Thema Teil des Familienlebens – Kinder haben miterlebt, wenn ein Großelternteil zu Hause verstorben ist. Heute passiert vieles hinter den Türen von Krankenhäusern oder Pflegeheimen. Kinder spüren aber trotzdem, wenn in einer Familie etwas nicht stimmt. Selbst Säuglinge merken, wenn eine Stimmung sich verändert. Und sie entwickeln eigene Erklärungen: „Habe ich Schuld? Habe ich Opa wehgetan?“ – deshalb ist es wichtig, ehrlich und kindgerecht zu reden. Unsere „Letzte Hilfe Kids“-Kurse starten ab der 3. Klasse. In Projekttagen, oft im Religionsunterricht, lernen Kinder spielerisch: Was passiert, wenn ein Mensch stirbt? Wer kann helfen – Hausarzt, Palliativteam, Hospizverein? Wir machen z. B. Übungen mit einem Schwungtuch, in dem Kinder getragen werden, um Netzwerke erfahrbar zu machen. Und die Kinder sind unheimlich neugierig: Sie stellen Fragen, die Erwachsene manchmal kaum noch zu fragen wagen.
Wie reagieren die Kinder auf diese Kurse?
Sehr unbefangen. Während Erwachsene oft Hemmungen haben, gehen Kinder offen an das Thema heran. In der 3. oder 4. Klasse sprudeln die Fragen nur so: „Tut das Sterben weh?“, „Kann man danach noch etwas fühlen?“ oder „Kann ich auch daran sterben, wenn ich krank bin?“ Wir geben ehrliche Antworten und vermitteln Sicherheit. Und wenn die Kinder am Ende nur eine Sache mitnehmen – dass es Menschen gibt, die man anrufen kann, wenn jemand im Sterben liegt – dann haben wir viel erreicht.
In der Palliativmedizin gibt es den Begriff des „Total Pain“ – also eines ganzheitlichen Schmerzes, der körperliche, seelische, soziale und spirituelle Ebenen umfasst. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Es bedeutet, dass wir Sterben nicht nur medizinisch betrachten dürfen. Schmerzen am Lebensende können auch aus Angst, Einsamkeit oder ungelösten Konflikten entstehen. Deshalb arbeiten wir im Netzwerk mit vielen Berufsgruppen zusammen: Ärztinnen und Ärzte, Pflegende, Psychologen, Seelsorger. Und auch die Ehrenamtlichen tragen dazu bei, indem sie zuhören und Nähe schenken. Der Tod kann – wenn man ihn nicht verdrängt – auch etwas Befreiendes haben. Für viele Menschen ist es eine Entlastung, wenn das Leiden zu Ende geht. Deshalb sage ich: Man muss nicht vor dem Tod Angst haben, sondern vor dem Verlust.
Wenn Sie einen Wunsch für die Zukunft der Hospizarbeit äußern – welcher wäre das?
Ich wünsche mir, dass Hospizbegleitung noch selbstverständlicher wird. Dass niemand denkt: „Das ist etwas für die anderen.“ Sondern dass alle wissen: Wir haben in Korbach und im ganzen Landkreis ein starkes Netz, wir sind da. Und ich wünsche mir, dass wir weiter die jungen Menschen erreichen – ob mit den „Letzte Hilfe Kids“-Kursen oder durch ehrenamtliches Engagement. Denn am Ende geht es um Haltung: Über Sterben zu reden heißt, über das Leben von sich und anderen und gemeinsames Miteinander zu reden.
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